13.03.23

Obdachlosigkeit in Deutschland

Obdachlosigkeit in Deutschland?

Viele Menschen glauben, dass Obdachlosigkeit nur andere Menschen trifft und die Obdachlosen wahrscheinlich selbst schuld an ihrem Schicksal sind. Aber der soziale Abstieg und Obdachlosigkeit können heutzutage jeden treffen. Denn die hohen Energiekosten, die stagnierenden Löhne, ein eklatanter Wohnungsmangel sowie eine langsame und unnachgiebige Bürokratie führen nach privaten Schicksalsschlägen (Arbeitslosigkeit, Krankheit, Trennung) schnell zum Wohnungsverlust, sodass auch Sie plötzlich vor den Scherben Ihrer eigenen Existenz stehen können. Zusätzlich führen Umweltkatastrophen oder kriegerische Auseinandersetzungen zu einem erhöhten Risiko für Obdachlosigkeit. Daher ist es wichtig, dass Sie sich auf diesen Extremfall vorbereiten; so unwahrscheinlich der Eintritt für Sie heute noch sein mag. Sie müssen Vorbereitungen treffen, eine Obdachlosigkeit physisch und psychisch zu jeder Jahreszeit zu überleben und ihr bei Eintritt so schnell wie möglich zu entfliehen. In diesem Ratgeber erhalten Sie alle wichtigen Informationen zur Obdachlosigkeit in Deutschland.

Wann gilt man als obdachlos?

Es gibt einen Unterschied zwischen Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit. Für die Betroffenen ist der Unterschied marginal. Denn beides ist mit dem Verlust der eigenen Wohnung verbunden, die als privater Rückzugsort dient und der Nährboden für das gesamte Schaffen eines Menschen ist. Wenn man unfreiwillig nicht mehr in seinem eigenen Bett schlafen und sich dort in Sicherheit fühlen kann, dann ist das der größte Einschnitt in das Leben eines Menschen. Wohnungslosigkeit bedeutet, dass man über keine eigene Wohnung bzw. keinen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum (zum Beispiel als Untermieter oder in einer Wohngemeinschaft) verfügt. Diese wohnungslosen Menschen haben in der Regel zeitweise ein Obdach. Sie kommen bei der Familie, bei Freunden oder bei Bekannten unter. Oder sie leben im Hotel oder in einer Pension. Oder sie haben einen Platz in einer Notunterkunft von kommunalen Einrichtungen oder Wohlfahrtsverbänden gefunden. Alle diese Varianten sind keine Lösung auf Dauer. Der Grat zwischen Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit ist oftmals schmal. Irgendwann neigen sich die finanziellen Mittel dem Ende zu. Es kann obendrein zu Streitigkeiten mit denjenigen Personen kommen, die einem einen Schlafplatz bieten. In Notunterkünften sind die Plätze ebenfalls rar. Obdachlosigkeit ist ein bestimmter Teil der Wohnungslosigkeit. Bei Obdachlosigkeit haben die Betroffenen tatsächlich kein Dach über dem Kopf. Obdachlose müssen im öffentlichen Raum leben und kämpfen jeden Tag ums Überleben. Sie schlafen in Parks, unter Brücken, in U-Bahnhöfen, in Tiefgaragen und auf Baustellen. Sie haben kein fließendes Wasser für die Hygiene, sie haben kein Bett und sie haben keinen ausreichenden Zugang zu Lebensmitteln. Dieses Schicksal droht immer mehr Personen in Deutschland.

Wie viele Menschen in Deutschland sind obdachlos?

Für die Anzahl der wohnungslosen und obdachlosen Menschen in Deutschland gibt es keine gesicherten Daten, sondern nur Schätzungen, die das Ausmaß annähernd anzeigen. Denn eine offizielle Meldestelle und damit eine offizielle Statistik über Obdach- und Wohnungslose sind nicht vorhanden. In der Regel wird die Anzahl der Obdachlosen eher unterschätzt als überschätzt. Nach aktuellen Zahlen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe gibt es in Deutschland aktuell etwa 45.000 obdachlose Menschen. Sie haben keine Unterkunft und müssen zu jeder Zeit auf der Straße leben. Die Bundesregierung gibt in ihrem Wohnungslosenbericht 2022 die Anzahl der obdachlosen Menschen mit 37.400 Personen an. Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe lag die Gesamtheit der wohnungslosen Menschen in Deutschland im Jahr 2020 bei 417.000. Diese Personen hatten keine Wohnung und keinen mietvertraglich gesicherten Wohnraum. Diese hohe Zahl verdeutlicht, dass in Deutschland bezahlbarer Wohnraum fehlt. Im Wohnungslosenbericht 2022 der Bundesregierung wird die Anzahl der wohnungslosen Personen mit 262.600 angegeben. Über 70 Prozent der Obdachlosen sind Männer.

Welche Gründe gibt es für Obdachlosigkeit?

Es müssen nicht immer eine Sucht, ein Gefängnisaufenthalt oder psychische Krankheiten sein, um in die Obdachlosigkeit zu geraten. In diesen Fällen sollte ein starker Sozialstaat ausreichend Hilfe bieten, damit Betroffene schnell sicheren Boden unter den Füßen haben und keine Angst vor Obdachlosigkeit haben müssen. Die soziale Bürokratie gewährleistet diese Sicherheit nicht. Teilweise fühlt sie sich nicht zuständig, arbeitet zu langsam, ist zu technokratisch, zu wenig menschlich und teilweise unerbittlich. Dann bekommen Betroffene nicht nur keine Hilfen, sondern noch den finalen Stoß versetzt, der sie ins Bodenlose stürzen lässt. Den typischen Obdachlosen gibt es nicht, sondern sehr unterschiedliche Obdachlosenbiografien. Die Gefahr für Obdachlosigkeit ist umso höher, je mehr Risikofaktoren vorhanden sind. Häufig führen Schicksalsschläge und private Zerwürfnisse zu einer unsicheren Lebensgrundlage und zur Obdachlosigkeit. Wenn die privaten Probleme über den Kopf wachsen und die externe Hilfe schleppend verläuft, dann kann ein eher kleines Problem immer größer werden und Betroffene in einen regelrechten Abwärtsstrudel reißen. Die Gründe für Obdachlosigkeit sind manchmal banal, manchmal dramatisch. Zu einem typischen Grund gehören familiäre Streitigkeiten und Probleme. Nach einer Trennung eines Paares muss ein Partner aus den gemeinsamen vier Wänden ausziehen; meistens ist dies der Mann. Aufgrund des Wohnungsmangels kann die Wohnungssuche länger dauern, sodass Obdachlosigkeit die Folge ist. Der Rauswurf von (erwachsenen) Kindern aus dem eigenen Haushalt endet ebenfalls oft auf der Straße für die Herausgeworfenen. Ein geringes Einkommen kann ebenfalls zum Verlust der eigenen Wohnung führen. Darüber hinaus sind Mieter den Mieterhöhungen von Vermietern ausgeliefert. Wenn die Miete stärker als das Einkommen steigt, wird es schwieriger, die Miete zu begleichen. Bei längeren Krankenhausaufenthalten und schweren Erkrankungen ist die Fähigkeit zum Einkommenserwerb genauso reduziert. Selbst Umweltkatastrophen können zur Obdachlosigkeit führen. Überschwemmungen an deutschen Flüssen sind eher die Regel als die Ausnahme. Bei Überflutungen werden Häuser unbewohnbar, sodass Menschen keine Unterkunft mehr haben. Die Folgen des Klimawandels können zu einem häufigeren Eintritt von Extremwettereignissen führen, die Häuser und Wohnungen unbewohnbar machen. In Zeiten des Russland-Ukraine-Krieges ist eine kriegerische Auseinandersetzung in Mitteleuropa denkbarer geworden. Zerstörung von Wohngebäuden, die Unbewohnbarkeit von ganzen Landstrichen und Flucht von Millionen von Menschen sind nicht nur Zutaten eines Filmdrehbuches, sondern mittlerweile leider reale Gefahren. Die politischen Konflikte werden in Zukunft nicht weniger: Heutige Freunde können morgen die Feinde sein.

Was kann man tun, wenn man obdachlos ist?

Obdachlose Personen müssen tagtäglich ums Überleben kämpfen. Dieser Kampf kostet viel Energie, denn die physischen und psychischen Belastungen sind extrem hoch. Deshalb ist es so wichtig, dass Sie für eine Obdachlosigkeit vorsorgen. Erstens benötigen Sie die richtige Ausrüstung für ein Leben auf der Straße. Zweitens benötigen Sie Informationen über Anlaufstellen für obdachlose Personen in Ihrer Kommune. In größeren Städten ist das Hilfsangebot größer und gleichzeitig großflächiger verteilt. In Kleinstädten und auf dem Land haben Sie das Problem, dass sich keiner so richtig verantwortlich fühlt und die soziale Ächtung sogar noch höher ist. Deshalb zieht es viele obdachlose Menschen in die Großstädte. Ein Notfalldokument muss alle möglichen Anlaufstellen für obdachlose Menschen in Ihrer bevorzugten Stadt enthalten, inklusive Stadtplan und ÖPNV-Plan. Erstellen Sie sich eine Übersicht über die wichtigsten Anlaufstellen. Am besten laminieren Sie diese Übersicht ein, damit sie vor Nässe geschützt ist.

Was für Rechte haben Obdachlose?

Wenn Sie obdachlos sind, benötigen Sie einen Schlafplatz. Als Betroffener haben Sie ein Recht auf eine Notunterkunft. Aber viele Kommunen kommen Ihrer Pflicht nur unzureichend nach, sodass die Notunterkünfte überfüllt sind. Nichtsdestotrotz sollten Sie sich eine Übersicht von diesen Notunterkünften anlegen, um sich leichter einen Schlafplatz organisieren zu können. Darüber hinaus finden Sie Informationen bei Wohnungslosentreffs, bei Wohlfahrtsverbänden, bei der Bahnhofsmission und bei anderen betroffenen Personen. Bei Notunterkünften gibt es oft viele Stammgäste. Daher ist es empfehlenswert, dass Sie nicht erst am Abend dort nach einem Schlafplatz fragen. Denn oftmals gibt es Schließzeiten am Abend. Tagsüber gibt es in Städten einige Anlaufstellen, über die Sie sich am besten ebenfalls vorher schon informieren sollten. Dazu zählen beispielsweise Straßentreffs, Tagesstätten, Suppenküchen, Wärmestuben und Tagescafés von Wohlfahrtsverbänden und Wohlfahrtsvereinen. Dort können Sie duschen und Wäsche waschen sowie Nahrung zu sich nehmen. Diese Anlaufstellen sind für Sie wichtig, um weitere Informationen zur Wohnungslosenhilfe von den Mitarbeitern zu erhalten. Als Obdachloser haben Sie ein Recht, diese Anlaufstellen kostenlos in Anspruch zu nehmen. Ein obdachloser Mensch hat ebenso das Recht auf finanzielle Leistungen. Wenn Sie arbeitslos sind, haben Sie Anspruch auf Arbeitslosengeld. Beim Auslaufen des Arbeitslosengeldes und bei Erwerbsfähigkeit haben Sie Anspruch auf Hartz IV, Grundsicherung bzw. Bürgergeld, wobei die Leistungen in manchen Orten nur in Tagessätzen ausgezahlt werden. In anderen persönlichen Situationen haben Sie ebenfalls einen Anspruch aufs Bürgergeld. Bei den Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände und Wohlfahrtsvereine können Sie nachfragen, welche Leistungen Ihnen zustehen und wie Sie diese Leistungen am besten beantragen. Wichtig ist die postalische Erreichbarkeit, um Leistungen zu beziehen. Als geeignete Postadresse gilt die Adresse einer Beratungsstelle.

Was muss man bei drohender Obdachlosigkeit tun?

Bei drohender Obdachlosigkeit ist Schnelligkeit am wichtigsten. Dann besteht mehr Zeit für eine angemessene Reaktion. Bei einer Wohnungskündigung oder eine Zwangsräumung sollten Sie sich nicht scheuen, eine Beratung in Anspruch zu nehmen. Wenn Sie Scham empfinden, dann fragen Sie Verwandte und Bekannte um Hilfe, ob sie Sie unterstützen und begleiten können. Eine professionelle Beratung kann Ihnen bei der Überprüfung helfen, ob eine Wohnungskündigung oder Zwangsräumung überhaupt rechtens ist und welche rechtlichen Mittel es dagegen gibt. Eine Wohnungskündigung bedarf hohen Anforderungen. So können externe Berater prüfen, inwieweit zum Beispiel eine Sozialklausel greift und Widerspruch gegen die Wohnungskündigung eingelegt werden kann. Mieterorganisationen und rechtliche Beratungsstellen sowie Rechtsanwälte sind eine erste Anlaufstelle.

Wenn Sie Kinder im Haushalt haben und von Obdachlosigkeit bedroht sind, hilft das Jugendamt. Darüber hinaus wenden Sie sich so schnell wie möglich an das zuständige Sozialamt oder Jobcenter Ihrer Kommune. Nur wenn das Sozialamt überhaupt von Ihrer Notlage weiß, kann es helfen. Die Hilfe ist zwar nicht immer schnell und punktgenau, aber wenn Sie abwarten, verschlimmern Sie Ihre Situation nur unnötig. So besteht die Option der Mietschuldenübernahme. Das Sozialamt oder Wohnungsamt kann Ihnen dabei helfen, eine neue Wohnung oder eine vorübergehende Unterkunft zu finden.

Warum gibt es so viele Obdachlose in Deutschland?

Das Recht auf Wohnen ist ein Menschenrecht. Es muss aber immer genügend Wohnraum geben, um Menschen mit Wohnraum zu versorgen. Daran hapert es selbst in einem vergleichsweise reichen Land wie Deutschland. Obdachlose haben keine machtvolle Lobby, die das Menschenrecht auf Obdach auch durchsetzen könnten. Die Politik hat die Bekämpfung der Obdachlosigkeit zwar auf der Agenda. Aber mit wirklichen Verbesserungen gewinnen Politiker keine Wahlen. Obendrein ist Obdachlosigkeit auch immer ein Zeichen dafür, dass die Politik mit ihren Maßnahmen gescheitert ist. Hohe Energiekosten, wenig Wohnraum, Umweltzerstörungen und kriegerische Konflikte lassen das Risiko für Obdach- und Wohnungslosigkeit in Zukunft weiter Jahr für Jahr steigen.